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Warum 80er-Bashing einfach nur ignorant ist...

Ich gestehe: Ich lese auf dem Klo Zeitungen! Nur damit das mal klar ist! Und manchmal ist es sogar von großem Vorteil. Nämlich dann, wenn man beim Lesen geistigen Dünnschisses, durch eben diesen einen solchen auch in der Realität bekommen könnte...

Beinahe so geschehen bei der Lektüre des Artikels ME-Helden: Nine Inch Nails vom Autor Arno Frank in der letzten Ausgabe des Musikexpress. Dort gab der Herr folgendes zum besten:



Schreiben wir also das Jahr 1986, auch wenn es kein Vergnügen ist, das Jahr 1986 zu schreiben. Wir befinden uns inmitten einer musikalischen Wüste namens "Achtzigerjahre". Ganz gleich, was diesem traurigen Jahrzehnt nachträglich für eine glamouröse Größe angedichtet werden mag...
(Zitat aus Musikexpress Sept2013)

Nun ist es so, das der gute Mann meines Wissens nach Jahrgang 1971 ist und ich selbst 1967. In der Jugend spielt dieser Unterschied schon mal eine gravierende Rolle. Ob das allerdings der Grund sein kann, für diese nahezu inhaltsleere Ansicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Denn ansonsten lese ich die Artikel von Herrn Frank, der ja auch bspw. für den Spiegel oder die taz aktiv ist, eigentlich recht gerne...

Nun steht Arno Frank mit dieser Ansicht ja auch nicht gänzlich alleine da. Man darf diesen ziemlich blanken Unfug ja häufiger mal lesen. Da kommt es natürlich auch darauf an, welche musikalische Sozialisation man in diesen Jahren genossen hat - wenn überhaupt eine. Aber nehmen wir als Beispiel das oben genannte Jahr 1986. Im deutschen Radio wurde man vorwiegend von Dingen beschallt, die Titel trugen wie "Geil", "Do Ya, Do Ya", "Midnight Lady" oder "Brother Louie", von so bahn(er-)brechenden Künstlern wie Bruce & Bongo, Samantha Fox, Chris Norman oder den unsäglichen Modern Talking...

Wäre dies das musikalische Jahr 1986 gewesen, würde ich dem Autor des ME ja recht geben. Aber das ist ja nur ein kleiner Teil der ganzen Wahrheit. 1986 war eben auch das Jahr, in dem Alben erschienen wie "The Smiths - The Queen Is Dead", "Beastie Boys – Licensed To Ill", Depeche Mode - Black Celebration, "Nick Cave & The Bad Seeds - Kicking Against The Pricks", "Cocteau Twins - Victorialand", "The Wedding Present - Don't Try and Stop Me, Mother", "The Fall - Bend Sinister", "Slayer - Reign In Blood" oder auch "Bad Brains – I Against I". Außerdem wurde 1986 durch den "C86-Sampler" des NME eine neue Welle an interessanter Indiemusik losgetreten. Und das ist nur ein verschwiendend geringer Ausschnitt der 86er Veröffentlichungen, der 80er als solches sowieso, die man schwerlich als "musikalische Wüste" betiteln kann, es sei denn man ist rein provokativ oder ignorant... ok, oder hat eben keine Ahnung...

In allen möglichen Bereichen der Musik gab es Neuerungen und interessante Musik. Innovativ und experimentell genauso, wie einfach nur guter Rock und Pop. Es gab den Postpunk, New Wave, Synthiepop, Shoegaze, Heavy Metal, Indie, Hardcore usw. und überall entstanden gute und wichtige Scheiben. Und wichtige Bands. The Smiths, Jesus & Mary Chain, Stone Roses, Happy Mondays, The Wedding Present... Die Pixies, New Order, Sonic Youth, The Cure, Fugazi, Nirvana. Alles musikalische Wüste? Trauriges Jahrzehnt?? Selbst in den Charts tummelte sich teilweise hörbare Popmusik oder netter Mainstream. Da stehen die 80er den vorherigen drei Dekaden und auch den späteren in nichts nach...

Nee, lieber Herr Frank! Entweder sind sie in den "falschen Kreisen" groß geworden, hatten in ihrem Umfeld niemanden mit musikalischem Geschmack oder haben einfach nur ein sehr unzureichend funktionierendes musikalisches Gedächtnis. All das tut mir sehr leid und lässt mich ihre jugendlichen Hörgewohnheiten bemitleiden. Aber sie sind kein Grund für ihre unbelegbare These...