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Mod Jazz-Compilations from Kent Records (Ace Records) 1996 - 2018













Betrachtet man die Wortschöpfung, die diesem Artikel zugrunde liegt und die in ihm zu besprechende Albenreihe mal dialektisch, kann hier der Erkenntnisgewinn, dass beim ModJazz das zusammengesetzt wurde, was auch zusammen gehört, kaum widersprochen werden. Laut der Beschreibung des Begriffs Dialektik auf Wikipedia [link], "erhebt die Synthese das Einzelne auf die Stufe des Allgemeinen, das Konkrete auf die des Abstrakten, sie fasst das Mannigfaltige zu einer Einheit zusammen". Und damit kann man es kaum treffender beschreiben. Die Ende der 50er Jahre entstandene Mod-Bewegung hat ihre Wurzeln in einer wohl in London entstandenen Subkultur, die als Modernisten bezeichnet wurde. Nicht zuletzt auch, weil sie modernen Jazz hörten. Wobei der eigentliche Neologismus der hier angedeutet wird, wohl in seiner jetzigen Bedeutung erst viel später zum tragen kam. Denn Modern Jazz muß nicht zwangsläufig ModJazz sein. Mods hören heute natürlich auch nicht nur Jazz, was aber bereits damals schon so war. Musikstile wie Soul, R&B, Ska, Beat und Ende der 70er auch Punk hatten im Laufe der nächsten Dekaden den wohl weitaus prägenderen Eindruck auf die Szene. Die enge Beziehung zwischen Jazz und Subkultur blieb aber - wenn auch mit deutlichen Abschwächungen - bestehen und führte weit über Szenekreise hinaus zu einem oder mittlerweile mehreren Revivaln von tanzbarem modernen Jazz. Und das ist es letztlich, worum es bei der Vorstellung dieser phänomenalen Albenreihe gehen soll...

Im Jahr 1996 erschien das erste Album der Reihe unter dem simplen Titel "ModJazz" mit dem Vibraphonisten Cal Tjader auf dem Cover. Initiiert und kompiliert wurde die Scheibe von Ady Croasdell, der sich früh als Northern Soul-/ Soul-DJ einen Namen gemacht hat und 1982 für Kent Records (deren Chef er dann auch wurde), einem Sublabel von Ace Records, den Northern Soul-Sampler "For Dancers Only" zusammenstellte. Es folgten diverse weitere Veröffentlichungen in diesem Bereich, die zu einem nicht geringen Teil auch sehr viel Detektiv- und Forschungsarbeit beinhaltete. Was zum Ergebnis führte, dass neben den ganzen raren Soul-Scheiben auch viele, teilweise (zumindest in Europa) fast in der Versenkung verschwundene tanzbare Jazzstücke wieder in den Fokus gerieten. Wobei der Jazzbegriff hier durchaus etwas gedehnter zu betrachten ist und auch grenzüberschreitend auf artverwandte groovige, jazzaffine Stücke aus dem Repertoire von R&B- oder Soul-Künstlern erweitert wurde. In der Regel handelt es sich bei den Tracks auf den Alben aber meistens um Hard Bop, Soul-Jazz oder auch Latin-Jazz und steht damit eigentlich im Gegensatz zum eher artifiziellen Charakters der Modern Jazz-Spielarten wie Bebop, Cool Jazz oder später gar Free Jazz. Wobei es gerade im Bebop durchaus auch tanzbare Sachen gab. Aber auch die Bebop-Musiker selbst sahen sich nicht mehr als Beschaller für Tanzabende, sondern spielten ihre durchaus hektischen und komplizierten Harmoniken für ein eher "hörendes" Publikum...

Auf dem Debüt der ModJazz-Scheiben befanden sich mit beispielsweise Eddie Jeffersons "Filthy McNasty", Mongo Santamarias Versionen von "Yeh, Yeh!" und "Watermelon Man" oder Mose Allisons "The Seventh Son" reihenweise Mod-Klassiker. Weitere bekannte Interpreten sind zum Beispiel auch Cannonball Adderly oder Jimmy Smith. Ob der Erfolg der Reihe 1996 bereits vorhersehbar war, kann ich nicht beurteilen. Aber es wurde alles dafür aufgefahren was möglich war, um dem Titel der Platte gerecht zu werden. Acht weitere Folge-Alben bis ins Jahr 2018 in dem mit "Mod Jazz Rides Again" die bisher letzte Fortsetzung veröffentlicht wurde, sprechen aber eine recht eindeutige Sprache. Und immer wieder wurden neben diversen berühmten Jazzern auch viele eher unbekannte Perlen zutage befördert. Und gerade die machen es wert, sich mit den Tonträgern zu beschäftigen. Leider ist meines Wissens nach nur das Debüt auch als Doppel-Vinyl erschienen. Und natürlich gibt es mittlerweile reihenweise andere Compilations oder gar Serien von Samplern, die sich dem Thema ModJazz widmen. Um abschließend zu beurteilen, wie man ModJazz definieren kann, sei das berühmte Zitat von Blue Note-Gründer Alfred Lion bemüht: "It must schwing". ModJazz ist eben das, was sich anfühlt wie ModJazz...