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"...du musst Zimmermann werden!": Georg Zimmermann - Spleen [Potemkin Records | RecordJet | VÖ: April 2023]


Dass ich in meinem fortgeschrittenen Alter tatsächlich noch der Aufforderung im Künstler-Slogan folgen werde, denke ich eher weniger. Aber als gelernter Bauhandwerker, der es eher mit Mauern und Beton hatte und weniger mit Dachstühlen, fühle ich mich natürlich dennoch getriggert. Der Spruch ist also klug gewählt. Was das alles mit dem neuen Album zu tun hat? Eigentlich nichts. Aber der Einstieg ist damit gemacht und der Fokus ab sofort auf Georg Zimmermann und sein aktuelles - sein viertes - Album gelegt... 

Georg Zimmermann hat mit seinem neuen Album "Spleen" ein Werk geschaffen, das sich positiv-radikal von der gegenwärtigen Singer-Songwriter-Szenerie abhebt.  Der ursprünglich aus Duisburg stammende, aber in Düsseldorf lebende Vollblut-Musiker vereint auf diesem Album Elemente von Punk, Garage, Blues, Folk und Powerpop, um seinen ganz eigenen Sound zu kreieren. Dabei schwingt immer auch eine Spur von Lou Reed, dem frühen Billy Bragg und an manchen Stellen auch Nick Cave mit, die als Einfluss auf Zimmermanns Arbeit durchaus erkennbar sind...

Die tiefgründige und oft auch verschlüsselte Lyrik der Songs dringt langsam in einen ein und lässt einem keine andere Wahl, als sich unmittelbar mit ihnen zu befassen. Die Texte sind von vielschichtigen Gefühlsebenen getragen, die sich bei einigen Stücken auch überlagern. Trauer und Melancholie, Erwartung und Freude, Angst und Indignation durchdringen wechselhaft die Stimmungslagen, die sich in den Songs wiederfinden lassen - die aber auch vom Hörer erarbeitet werden wollen. Zimmermanns markante Stimme tut das ihre, um diese Stimmung noch zu verstärken... 

Was "Spleen" aber wirklich einzigartig macht, ist der Sound. Eine Mischung aus Garage, Folk, Fuzz, Powerpop, Punk, Ballade und Alternative unterscheidet sich grundlegend und vehement von den Mainstream-Barden im Sammelsurium des Singer-Songwriter-Gewerbes, dem ich Zimmermann auch auch gar nicht bedingungslos zuordnen will. Die Arrangements empfinde ich oft auf das Wesentliche reduziert. Das verleiht einigen der Songs eine hohe Intimität und Intensität... 

Alles in allem ist Georg Zimmermanns "Spleen" ein Meisterwerk des experimentellen Alternative-Rocks. Es ist ein Album, das sich nicht scheut, Grenzen zu überschreiten und dabei vollkommen in sich ruht und das man gehört haben muss, um es wirklich zu verstehen. Muss man deshalb Zimmermann werden? Muß man nicht, aber man kann. Zumindest Fan kann man werden. Und die Platte kaufen. Macht man definitiv keinen Fehler mit...