Ein Erlebnisbericht vom Konzert in der Turbinenhalle Oberhausen am 13.09.2024
Von Axel Kersting [pics by A. Kersting & D. Hanke]
Mein erstes Mal THE CHAMELEONS live war eher - ich nenne es mal – ernüchternd. Nach ihrer Wiedervereinigung und dem neuen Album „Why call it anything“ spielten sie 2 Tage hintereinander im altehrwürdigen Zwischenfall in Bochum auf.
Weil die Wiedersehensfreude so groß war, wurde nach dem ersten Abend auch standesgemäß gefeiert, und so hatte Sänger Mark „Bird“ Burgess – sehr zu meinem Verdruss – keine Stimme mehr am zweiten Abend, an dem ich dem Konzert beiwohnte.
Mark’s wiederholte Entschuldigungen nach fast jedem Stück waren zwar absolut glaubwürdig, trösteten mich aber nicht darüber hinweg, dass ich anscheinend die besten Zeiten meiner Idole, die ich seit meinem 15. Lebensjahr vergöttere, verpasst habe, zumal wenig von den drei ersten Alben gespielt wurde.
Als die „CHAMS“ 2023 zu ihrer 35th Anniversary Tour des zweiten Albums „What does eyerything mean. Basically“ auch Station in der Bochumer Zeche machten, war ich dabei und erlebte nachhaltig eines der besten Konzerte ever. Und das nicht nur, weil auch Reg Smithies wieder die Gitarre spielte.
Ein Jahr später kommen The Chameleons wieder nach Deutschland und gastieren am 13.09.24 in der Turbinenhalle in Oberhausen – ein Ort, der mir unglaublicherweise bisher vergönnt war. Dass das Konzert nicht ganz ausverkauft war, merkte man nicht nur an den Last-Minute-Aufrufen in Social-Media. Aber dennoch war die alte Industriehalle mit viel Charme und ebensolchen Menschen gut gefüllt und die Stimmung fantastisch – auch vorher schon. Genau das Richtige nach einer staureichen Anfahrt zu fünft in einem Auto!
Nach einem niederländisch-portugiesischem Elektro-Wave-Duo kamen Mark & Co zügig auf die Bühne und gaben direkt mit „Mad Max“ und „Caution“ die Richtung des Abends vor: jede Menge „Strange Times“ – Stücke, meinem Lieblingsalbum! Die Halle war in Bewegung und ich mit ihr - tanzen, mitsingen, genießen!
Im Gegensatz zum letzten Jahr wird die Band mit Danny Ashberry am Keyboard verstärkt, was Stephen Rice hörbar mehr Konzentration auf seine Gitarre verschafft. Außerdem singt Ashberry die zweite Stimme und füllt das ein oder andere Stück damit sphärisch auf, machte es vollkommen.
Während Drummer Todd Demma in Bochum noch leicht verunsichert die Rhythmen der Originale coverte, spielt er heute befreiter und eigensinniger auf, bringt seine Spielart mit ein, ohne aber den eigentlichen Charakter der ursprünglichen Beats vermissen zu lassen. Diese Beats, der Sound der Gitarren und Mark’s so prägnante Stimme setzen mich ab der ersten Sekunde in Bewegung. Ich bin voller Energie, und mit mir viele andere hier.
Mit den Klassikern „This Person Isn’t safe“, Monkeyland“ und „Parfumed Garden“ folgen Werke der ersten beiden Alben. Während mir zuerst Reg’s Gitarre und Todd’s Snare zu leide erscheint, erkenne ich plötzlich, dass der Mischer ein fester Teil der Band ist, denn er bedenkt beides – Drums und Gitarre - immer im richtigen Moment (und im richtigen Stück) mit den passenden Sounds und Volumen. Mark nimmt währenddessen mit seinem Stimmvermögen und seiner bloßen Ausstrahlung die gesamte Halle ein. Er ist jetzt das Maß aller Dinge für viele hier.
Sie spielen für den großen John Peel und widmen „Tears“ in einer großartigen Version ihren Fans. Neben mir muss bestimmt auch der ein oder andere eine ebensolche vor Rührung, Glück und Sehnsucht verdrücken. Eine Stimmung und Atmosphäre mit einem Respekt, wie ich es bisher nur bei den Chameleons erlebt habe.
Mit einem sehnlichst erwarteten „Swamp Thing“ und „Soul in Isolation“ werden die letzten beiden Gassenhauer von „Strange Times“ behutsam direkt in unsere Herzen gespielt, bevor die Band nach „Ever After“ (vorerst) die Bühne verlässt. Doch sie ließen sich nicht lange bitten und es folgte das emotionalste Zugaben-Set, seit ich Gefühle einordnen kann.
Die Band beginnt mit der aktuellen Single „Where are you?“, bei der sich die Geister der verschiedenen Chameleons-Fans aber sowas von streiten. Zu meiner großen Überraschung und Freude ist die Nummer aber entgegen der Studioversion in ein Soundgewand der späten 80er Jahre gekleidet, und die anfänglich gedämpfte Euphorie ist kurzum wieder klar in der Halle spürbar.
„In Shreds“ wird uns danach mit voller Härte entgegengeschleudert, weil wir es nicht anders verdient haben. Und „Second Skin“ wird zu einer Zeremonie, die so wundervoll ausgedehnt wird, weil der Moment (und das Stück) sonst viel zu schnell vorüber wäre.
Mark hat seinen Bass mittlerweile an Danny Ashberry übergeben, da zum Showdown anscheinend keine Tasten mehr benötigt werden, und bewegt sich frei und voller Energie auf der gesamten Bühne: charismatisch, manchmal etwas heroisch oder pathetisch, aber immer wie ein beschützender Freund. Es fühlt sich an, wie ein traditionelles Familientreffen.
Ich möchte keine Sekunde mehr verpassen, ignoriere meinen Drang nach Toilette und frischem Bier (….bin ich eigentlich schon wieder mit Holen dran..?). Mit „Don’t Fall“ in allerbester Liveversion beenden The Chameleons ihren – unseren – Konzertabend.
Alle wissen ab dem ersten Ton, dass es das nach diesem Stück gewesen ist. Und obwohl wir noch nicht satt sind, lassen wir das Ende zu – dankbar und selig.
Und wir freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen – hoffentlich 2025 – mit neuen Überraschungen, die unsere Herzen erfüllen. Dann wird das nächste Chameleons-Konzert wieder das Beste, das ich je gesehen habe.
The Chameleons are Reg Smithies (guitar), Mark Burgess (bass, vocals, lyrics), Stephen Rice (guitar), Danny Ashberry (keyboards), and Todd Demma (drums).