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„This Is DJ’s Choice, Vol. 5 – Henry Storch“ [Unique Records | Schubert Music Europe | VÖ: 05.12.2025]


„This Is DJ’s Choice, Vol. 5 – Henry Storch“ wirkt weniger wie eine weitere Compilation und mehr wie eine Einladung, sich für eine gute Stunde in Henrys Plattenkiste zu setzen. Nicht chronologisch sortiert, nicht nerdig-akademisch, sondern so, wie DJs ihre Lieblingsplatten wirklich benutzen: als zuverlässiger Schnellzugriff für den Moment, in dem der Laden kippen soll – nach vorne... 

Kontext: Was ist überhaupt „DJ’s Choice“?

Die Reihe läuft seit 2008 bei Unique Records. Die Idee: Szene-DJs und Kurator:innen stellen jeweils ihre Definition einer guten Compilation von Soul-, Funk-, und artverwandten Club-Sounds zusammen – unter anderem waren schon Keb Darge, Marc Hype, DJ Suspect und zuletzt GU an der Reihe beteiligt..


Vol. 5 ist nun eine besondere Ausgabe. Sie wurde ursprünglich noch zu Lebzeiten von Unique-Gründer Henry Storch gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Eddie Piller angedacht, aber nie fertig. Erst jetzt, einige Jahre nach Henrys tragischem Tod 2018, haben Piller und Henrys langjährige DJ-Partnerin Sandra alias Frollein Taube die Auswahl souverän vollendet...

Das Ergebnis ist keine trockene Werkschau, sondern ein sehr persönlicher Blick in Henrys DJ-DNA...

Der Sound: Northern-Soul-Wurzeln, Retro-Soul-Gegenwart

Auch ohne das Ding auf dem Plattenteller zu haben, lässt sich aus den Songs ziemlich klar ablesen, wohin die Reise geht. Ann Sextons „You’ve Been Gone Too Long“ – ein Northern-Soul-Evergreen, ursprünglich 1971/72 erst auf Impel, dann auf Seventy 7 erschienen – eröffnet die Platte mit genau dieser Mischung aus Dringlichkeit und Tanzbarkeit, die jahrzehntelang Henrys Spielwiese war...

Ähnlich tief aus der Soul-Historie gegraben ist „What Good Am I?“ von den T.S.U. Toronadoes, 1968 auf Atlantic erschienen. Midtempo, emotional, klassischer 60s-Soul, wie er in Rare-Groove-Kreisen seit Jahren wieder und wieder gezogen wird...

Dazu kommen neuere, aber stilistisch bewusst „oldschool“ produzierte Stücke wie Sharon Jones & The Dap-Kings’ „What Have You Done For Me Lately (Part 1)“, ursprünglich eine Coverversion der Janet-Jackson-Nummer und auf dem Debüt „Dap-Dippin’“ gelandet. Die Sweet Vandals, Al Supersonic & The Teenagers oder auch Carl Carlton schlagen in die gleiche Kerbe: moderne Bands, die mit analogen Mitteln klassischen Funk und Soul nach vorne rollen...

Die Platte funktioniert darum nicht als „Best of Unique“, sondern als Querschnitt durch das, was Henry über Jahrzehnte aufgelegt hat: 60s/70s-Singles, die über Northern Soul und Rare Groove groß geworden sind, plus zeitgenössische Retro-Soul-Produktionen, die diese Tradition glaubwürdig weiterführen. Die Dramaturgie bleibt dabei DJ-orientiert: tanzbar, organisch, ohne sprunghafte Brüche. Genau so, wie ein erfahrener DJ eben eine Stunde im Club bauen würde.

Henry Storch, Unique & Düsseldorf

Ohne Henry Storch gibt es dieses Album, dieses Label und einen guten Teil der Düsseldorfer Clubgeschichte schlicht nicht. Seit Ende der 80er bzw. spätestens den 90ern baute er, der der Düsseldorfer Mos-Szene jener Tage entstammte, Unique Records und später den Unique Club in der Altstadt auf – ein Laden, der für Soul, Funk, Rare Groove, aber auch House und Drum’n’Bass weit über die Stadt hinaus bekannt war... 

Nach seinem plötzlichen Tod 2018 führte seine langjährige Kollegin Ina Schulz das Label weiter; 2020 ging Unique an Schubert Music Europe, ohne dabei seinen Charakter als Indie-Soul- und Funk-Institution zu verlieren. Unique positioniert sich heute immer noch klar im Feld Soul/Funk/Psychedelia/Krautrock (u. a. Frank Popp oder Suzan Köcher's Suprafon) und betreibt mit Unique Musikverlag auch den dazugehörigen Publishing-Arm... 

Eine schöne Klammer: KIT – Kunst im Tunnel in Düsseldorf hat Unique und Henry bereits zum 30-jährigen Label-Jubiläum mit der Ausstellung „#Tonträger. Images and Sounds from 30 Years of Music History in Düsseldorf“ gewürdigt. Dass nun auch die Release-Party von Vol. 5 genau dort steigt, wirkt weniger wie Zufall, mehr wie bewusstes Zurückholen dieser Geschichte in den Stadtraum... 

Die Release-Party: Gedenken auf dem Dancefloor

Die Record-Release-Party steigt am 6. Dezember 2025 im KIT – Kunst im Tunnel direkt am Mannesmannufer in Düsseldorf. Auf den Decks: Eddie Piller (Acid Jazz), Frollein Taube (Girls Got Soul, Soulmates), Kristian Auth (Soul City Cologne) und Chrispop (D-Town Funk)... 

Der Abend wird von den Veranstaltern explizit als „Herzens-Special“ beschrieben – eine Edition, die ursprünglich mit Henry selbst geplant war und nun kurz nach seinem Geburtstag endlich in die Regale kommt. Die Party ist also nicht einfach Promo für eine Platte, sondern Gedenkabend, Soul-Allnighter und Freundeskreistreffen in einem: gemeinsam feiern, trinken, tanzen – und all jene mitdenken, die nicht mehr da sind. Ein Abend auf den ich mich auch persönlich sehr freue... 

Packaging & Format

„This Is DJ’s Choice, Vol. 5 – Henry Storch“ erscheint auf Unique Records / Schubert Music als CD und als LP. Beide Formate kommen mit Liner Notes von Eddie Piller und Ina Schulz; die Vinyl-Version bringt außerdem eine bedruckte Innenhülle mit. Das ist in Zeiten generischer Compilations alles andere als selbstverständlich und passt zur Handschrift von Unique, physische Releases immer noch als „richtiges Objekt“ zu denken und nicht nur als Datenträger.. 

Musikalisch zielt die Platte klar auf Soul- und Funk-Fans, die eher im Rare-Groove- oder Deep-Soul-Umfeld zuhause sind, aber sie taugt genauso als Einstieg für alle, die sich fragen: „Wie klang eigentlich ein Henry-Storch-Set im Kern?“ Natürlich fehlen unzählige mögliche Lieblinge; jede Tracklist ist am Ende nur ein Ausschnitt. Aber die Spannweite von Ann Sexton über die T.S.U. Toronadoes bis hin zu Sharon Jones, Sweet Vandals und Al Supersonic markiert ziemlich genau das Feld, in dem Henry sich bewegte – und in dem sich Unique bis heute bewegt... 

Unterm Strich: keine „DJ-Tools“-Compilation, sondern eine sehr persönliche, liebevoll kuratierte Verbeugung vor einem DJ und Labelmacher, der die Düsseldorfer Szene nachweislich geprägt hat und dessen Geschmack hier noch einmal sehr klar hörbar wird – auch ohne, dass er selbst noch an den Decks steht. Eine leider traurige Tatsache... 



Tracklist

  1. Ann Sexton – You’ve Been Gone Too Long
  2. Psychodelic Frankie – Putting You Out Of My Life
  3. The Sweet Vandals – Papa’s Got A Brand New Bag
  4. The Tom – Emmanuel and Ron Experience – When You Lose Your Groove
  5. Sharon Jones & The Dap-Kings – What Have You Done For Me Lately (Part 1)
  6. Tony & Tandy – Two Can Make It Together
  7. The T.S.U. Toronadoes – What Good Am I?
  8. Coke Escovedo – I Wouldn't Change A Thing
  9. Maxine – A Love I Believe In
  10. Carl Carlton – I Can Feel It
  11. Al Supersonic & The Teenagers – Paint Yourself In The Corner
  12. Esther Phillips – Just Say Goodbye
  13. Joe Valentine – I Lost The Only Love I Had

Mehr Infos:
www.unique-rec.com

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