Reflections from Kreuzberg: Grateful Cat - Ready To Go Anywhere [VÖ:17.10.2025 || Waterfall Records]
Grateful Cat legen mit „Ready To Go Anywhere“ ein kleines, feines Manifest dafür vor, wie man ernste Zeiten mit süffigen Ohrwürmern kompensiert: das Duo aus Berlin-Kreuzberg — Gwendolin Tägert und Franky Fuzz — hat zwölf Songs geschrieben, gespielt und in der eigenen Küche aufgenommen, die zwischen Laurel-Canyon-Nostalgie und 90er-Powerpop-Pep hin und her pendeln, ohne je beliebig zu werden...
Die Platte klingt minimal instrumentiert, aber maximal einprägsam; Akustik- und Twang-Gitarren, ein Bass, zurückhaltende Percussions und zwei Stimmen, die sich in den besten Momenten zu Beach-Boys-artigen Harmonieketten verweben, reichen Grateful Cat, um ganze Szenen zu erzählen: von panischen Lieferfahrern („Hey, Food Delivery Guy“) über kitschige Hen-Night-Satiren („Another Team Bride“) bis hin zu existenziellen Fragen, die in 2- bis 3-Minüter verpackt sind („When our World disappears“).
Was die Band Stück für Stück gewinnt, ist eine Fähigkeit zur präzisen Beobachtung — die Texte strotzen vor kleinen, komischen Details (Jesus auf dem Toast, volle Moon-Romantik und das katzengetriebene Leben) und schlagen dabei nie in banale Ironie um; dahinter bleibt ein echtes Gespür für Melodie und Dramaturgie.
Produzentisch treten Grateful Cat den Gegenentwurf zu überfrachteten Arrangements an: die Wärme eines Küchenraums lässt jedes Zupfen und jedes Hüsteln atmen, und genau diese Nähe macht die Songs live-nah und sofort mitsingbar. Gleichzeitig überrascht das Album mit poppigen Hooks, die viel direkter zupacken als das beruhigende 60s-Folk-Image, das die Band teilweise umgibt — Tracks wie „Don’t spread the Hate“ oder „Slow moving Crowds“ verwenden die Kürze als Stärke: prägnante Refrains, eine punktgenaue Instrumentierung und der Mut zur kleinen melodischen Eingebung.
Als Nachfolger ihres Debüts „Stray With Me“ von 2023 wirkt „Ready To Go Anywhere“ nicht wie eine große stilistische Kehrtwende, sondern wie eine schärfere Version dessen, was das Duo ohnehin schon konnte — mehr Kaltnetzigkeit, mehr Witz, mehr Popinstinkt, ohne die charmante DIY-Aura zu verlieren.
Wer sich für die Schnittmenge aus 60s-Folk-Idylle und 90s-Indie-Energie erwärmen kann, findet hier ein Album, das sich weder als Retro-Spielerei noch als bloße Hommage versteht, sondern als eigenständiges kleines Kapitel in der Berliner Indie-Szene: kurz, konkret, liebenswert bissig — bereit, überallhin mitgenommen zu werden. Und das alles auf einer sehr gut produzierten Vinylscheibe...
Tracklist:
1. When our World disappears — 2:38
2. Hey, Food Delivery Guy — 2:56
3. Another Team Bride — 2:38
4. Jesus on her Toast — 2:48
5. Summer's gone, it's over — 3:26
6. Don't spread the Hate — 3:33
7. Bartender at a Comedy Club — 3:07
8. Slow moving Crowds — 2:52
9. Columbo — 3:18
10. Full Moon Baby — 3:05
11. I'm not coming in on a Sunday — 2:44
12. Under the Cat — 2:43