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Ans Tageslicht gebracht: 39 Clocks - Next Dimension Transfer // VÖ: 1. März 2019 // Tapete Records

"Manchmal kommen sie wieder..." Nein, hier geht es nicht um Church, dem unheimlich reanimierten Streuner aus Stephen Kings "Friedhof der Kuscheltiere". Auch wenn die Wiedererscheinung der 39 Clocks aus Hannover einem ähnlich aggressiv und boshaft erscheint, wie die ins Leben zurückgekehrte Filmmieze. Gedanklich war die Band für mich tatsächlich nicht mehr wirklich präsent. Aber für solche Fälle gibt es ja die Wiedererweckungsspezialisten von Tapete Records bzw. Bureau B aus Hamburg, bei denen Anfang März dieses grandiose Box-Set mit dem Titel "Next Dimension Transfer" erschienen ist. Und dass dieses opulente Werk den Titel nicht umsonst trägt, wird beim Hören der sowohl auf Vinyl, als auch auf CD erschienen Klangschau, die einer "Würdigung des Lebenswerks" der Band gleichkommt, sehr schnell deutlich. Hier scheint alles verwertet worden zu sein, wessen man irgendwie habhaft werden konnte und so entstand eine beeindruckende Compilation einer noch beeindruckenderen Band...

Auf 4 x 12"-Scheiben, bzw. 5 CDs mitsamt ausführlichem Booklet wird aufgezeigt, was Anfang der 80er Jahre im Geist des Postpunks auch in Deutschland alles möglich war. Vor allem möglich war, ohne dem Trend anheim zu fallen, sich für die zweite und dritte Welle der NDW vor den Karren spannen zu lassen, um sich bei Dieter Thomas Heck und seiner ZDF-Hitparade oder gar Schlimmeren zu verdingen und zum albernen Schlageräffchen zu verkommen. Der sklavischen Unterwerfung der Media Control und ihren Marktmechanismen widerstrebend, schufen die 39 Clocks einen Sound, wie er zu der Zeit von deutschen Musikern nur bedingt gespielt wurde. Erinnernd an Velvet Underground und Suicide oder auch deutschen Klangpionieren wie Can oder Neu! kreierten die Clocks eine Soundlandschaft, die stark im US-Garage-Underground und im Psychedelic Rock zuhause war. Zur etwas später aufkommenden Dark Wave-Gemeinde, der sie auch oft genug zugerechnet werden, würde ich sie eigentlich nicht zählen, auch wenn es sich hier sicher, ähnlich wie bei Joy Division, um einen Teil der DNA dessen handelt. Aber dieses Schicksal teilten die Clocks wohl auch mit ähnlich gelagerten und begnadeten Neo-Psychedelikern wie bspw. den Multicoloured Shades oder den Kastrierten Philosophen...

Aber wie auch immer man das persönlich einordnen möchte bleibt der Fakt, dass das Duo, bestehend aus CH-39 und JG-39, deren bürgerliche Existenzen auf die Namen Jürgen Gleue und Christian Henjes hören, eindeutig so besonders waren, das Tapete der Band nun dieses Monument ermöglicht hat. Die Nachwelt sollte hier genau hinhören und dies würdigen, auch wenn sich vermutlich heute wie damals, kein Chartstürmer aus dem Fundus der Songs finden lässt, der diese Veröffentlichung aus ökonomischen Gesichtspunkten als sinnvoll erscheinen lässt. Ich jedenfalls bin froh über soviel Idealismus des Labels und das mir einige Stunden überaus guter und spannungsreicher Musik um die Ohren gehauen wurden, die ich ansonsten vielleicht für alle Zeiten vergessen hätte...