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Siberia Extreme... Wortwörtlich! Zwei neue Veröffentlichungen des Labels Indigenous Lifeforms

 

Musik hören ist für mich auch immer eine Art Reise. Man hat seine (musikalische) Heimat, also die Musik die man kennt, bei der man sich heimisch, sich wohl fühlt und mit der man sich im Normalfall - sofern einem Musik wichtig ist - auch ständig umgibt. Und doch zieht es einen hin und wieder in fremde Gefilde. Entweder weil man aus einer gewissen Abenteuerlust versucht seinen Horizont zu erweitern. Oder aber auch, weil man einer Empfehlung folgt. Natürlich benötigt man auch eine gewisse Affinität und Interesse an Reisen in unbekanntes Terrain. Sich einfach mal mit Dingen bzw. Sounds zu befassen, die man noch nicht kennt und gegebenenfalls diesen auf den Grund zu gehen. Dann aber gibt es diese eher seltenen Momente, bei denen man sich an eine Stelle teleportiert fühlt, wo man sich leicht (in diesem Fall auch schwer!) irritiert fragt: "Wie zum Teufel bin ich denn hier rein geraten?". Einen solchen Moment hatte ich beim Hören der beiden Alben die mir freundlicher Weise vom Label Indigenous Lifeforms zur Verfügung gestellt wurden und die ich hier jetzt vorstellen möchte...

Gehen wir doch ganz einfach chronologisch vor. Das erste Album ist auch gleichzeitig die erste Veröffentlichung des noch jungen Labels, welches sich auf Musik und Kunst aus Sibirien spezialisiert sieht. Chyskyyrai with Tim Hodgkinson and Ken Hyder - "Siberia Extreme" ist der Name der KünstlerInnen und der Titel der Platte. Und der Name ist Program. Es dauert in der Tat eine ganze Weile, sich in die Darbietung einzuhören. Extrem ist da schon der richtige Ausdruck, vor allem was den Gesang angeht. Für musikalisch eher westlich sozialisierte Ohren nötigt einem das Gehörte schon eine gewisse Zeit ab, damit klar zu kommen. Chyskyyrai, die eigentlich Valentina Romanova heißt, stammt aus Jakutien (Republik Sacha), der nördlichsten Republik Sibiriens. Sie singt in einer Vielzahl traditioneller Gesangstechniken, die sich auf Volkslieder, Tierimitationen, aber vor allem auf das alte mythologische Epos Olonkho stützen, das eine Vielzahl archaischer Vortragsstile aufweist. Man sollte hier tatsächlich schon ein großes Interesse am Entdecken unbekannter Klänge mitbringen. Die Songs auf dieser LP stammen aus einer Phase ihres Lebens, in der sie die beiden Jazzmusiker Tim Hodgkinson und Ken Hyder kennenlernte, die seit 1978 zusammen auftreten und für ihre Erkundungen im Bereich der schamanischen Kulturen und des Free Jazz bekannt sind. Ihre Zusammenarbeit mit der "Soviet Jazz Federation" reicht viele Jahre zurück, bis das Duo schließlich 1990 als "The Shams" auf eine ausgedehnte Tournee durch Sibirien ging. Der besondere Gesang, sowie der spezielle Spiritual-Free-Jazz als Untermalung machen in Kombination das Album einerseits zu schwer verdaulicher Kost, andererseits aber auch zu einer Entdeckungsreise in eine (zumindest für mich) völlig unbekannte und fordernde Klangwelt, die aber durchaus mein Interesse geweckt hat... 

Album Nummer Zwei ist da ganz ähnlich zu bewerten. Die Kooperation der Sängerin Stepanida Borisova - ebenfalls aus Sakha-Jakutien in Sibirien wie ihre Kollegin Chyskyyrai - mit dem tschechischen Jazzrock-Drummer und Komponisten Pavel Fajt, gipfelt hier im Album "Algys". Die Aufnahmen stammen bereits aus dem Jahr 2002, werden hier aber zum ersten mal veröffentlicht. Auch Stepanida Borisova Gesangsstile begründen sich im traditionellem, folkloristischem Sakha-Gesang. Auch hier sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, sich zunächst in die Songs "einzuhören" zu müssen. Zumindest dann, wenn einem diese Form des Vortrags bisher unbekannt war. Die spirituellen Dialoge zwischen Borisova und dem ausdrucksstarken Drumming von Fajt bieten eine besondere Form von Spiritual-Folk-Jazz, der den geneigten Hörer durchaus fordert... 

Beide Alben liegen in milchig-klarem Vinyl vor und sind sehr schön aufgemacht. "Algys" kommt mit einen von japanischen Veröffentlichungen bekannten Obi-Cover daher. Beide Scheiben sind nur in limitierter Auflage erhältlich. Wer Interesse an den Scheiben bekommen hat, kann sich auf der Labelseite auf Bandcamp weiterführend informieren...

Bandcamp Indigenous Lifeforms