Der letzte Freitagabend im Düsseldorfer Ratinger Hof hatte von Anfang an etwas Besonderes an sich: Tourabschluss der Hamburger Soulband Angels Of Libra – und das in einem Club, der sonst eher mit roughem Punk als mit geschmeidigem Soul in Verbindung gebracht wird. Offizieller Beginn war auf 20 Uhr angesetzt, doch ganz soultypisch ging es erst gegen 20.30 Uhr los – genug Zeit, damit sich der Laden ordentlich füllte und die Vorfreude im Raum knisterte...
Der Ratinger Hof in der Düsseldorfer Altstadt ist weit mehr als nur eine weitere Konzertlocation: In den 1970er- und frühen 1980er-Jahren war die Kneipe an der Ratinger Straße 10 ein zentraler Treffpunkt der Underground- und Punk-Szene und gilt bis heute als einer der Geburtsorte des deutschen Punk. Nach einer Phase der Ungewissheit und der Schließung im Sommer 2024 wurde der Club im April 2025 unter neuem Betreiber nach umfangreichen Modernisierungen an Ton- und Lichttechnik sowie optischer Auffrischung wiedereröffnet – unterstützt von der städtischen Eventtochter D.LIVE...
Mit neuem Konzept, frischem Design und einem ambitionierten Programm knüpft der Ratinger Hof nun an seine Vergangenheit an und bringt gleichzeitig wieder regelmäßig Live-Musik zurück in die Altstadt – ein idealer Rahmen für eine Soulband wie Angels Of Libra, die diese Mischung aus Geschichte und Aufbruchsstimmung perfekt bespielt....
Angels Of Libra, das achtköpfige Soul-Kollektiv aus Hamburg, ist schon von Haus aus mit ausgeprägter Liebe zu analogen Aufnahmetechniken, 60s-Soul-Revue-Ästhetik und cineastischen Arrangements ausgestattet.
Gitarrist und Produzent Dennis Rux – unter anderem bekannt durch die Yeah! Yeah! Yeah! Studios in Hamburg – hat die Band als Retro-Soul-Projekt aufgebaut, das dennoch im Hier und Jetzt verankert ist. An den Mikrofonen stehen der irische Soulsänger Nathan Johnston, dessen Stimme zwischen rauer Intensität und zerbrechlicher Verletzlichkeit pendelt, und die famose Vokalistin Sarife Afonso, die mit ihrer wunderbar kraftvollen, doch immer kontrollierten Stimme ein eigenes, sehr deutliches Schwerpunktsignal in der Show setzt...
Mit ihrem aktuellen Album „Road To Mandalay“, mittlerweile der fünften Veröffentlichung im Angels-Of-Libra-Kosmos, knüpft die Band stilistisch an ihre bisherigen Projekte an: detailverliebte Arrangements, tiefe Grooves, dichte Bläser-Sätze – und Songs, die nach verschwitzten Clubnächten verlangen, genau wie dieser Abend in Düsseldorf...
Als die Band gegen halb neun auf die Bühne tritt, ist der Ratinger Hof relativ voll – genug, um dem Abend die nötige Dichte zu geben, aber ohne klaustrophobische Enge. Vom ersten Ton an ist klar: Das hier wird keine nette Hintergrundbeschallung, sondern eine großartige Soulshow. Die teilweise neu besetzte neue Rhythmusgruppe, neben Urgestein Chris Härtel an den Tasten, bestehend aus dem Bassisten Bernhard Stiehle und Drummer Janik Noltenius legte einen warm groovenden Teppich, über dem sich die Bläser-Sektion mit Mark Norton am Saxophon und Querflöte und Trompeter Marcus Hector mit präzisen Riffs und erstklassigen Solos austobte...
Im Zentrum stehen die Stimmen: Nathan Johnston singt mit einer Souveränität, als wäre der Hof sein Wohnzimmer, phrasiert lässig, steigert sich in die Refrains hinein und lässt in den Balladen genau die richtige Portion Verletzlichkeit zu. Doch der heimliche Triumph des Abends heißt Sarife Afonso: Ihre Parts sind eigenständige Höhepunkte – ob in Call-and-Response-Passagen mit Johnston, in gospelartigen Steigerungen oder in Momenten, in denen sie die Bühne quasi alleine übernimmt. Überragende Gesangsleistungen von beiden, aber Sarife setzt an diesem Abend die eindrücklichsten Ausrufezeichen...
Das Publikum reagiert entsprechend: begeisterte Zuschauer, die nicht lange brauchen, um sich von der Band mitreißen zu lassen. Zwischen den Songs gibt es Jubel, Pfiffe, hochgereckte Hände – und je weiter das Set in Richtung „Road To Mandalay“-Material wandert, desto mehr wirkt der Hof wie ein großer, gemeinsamer Resonanzkörper.
Spannend am Düsseldorfer Tourabschluss: Die Band musste für die Tour an Bass und Drums umbesetzt werden, da Stamm-Bassist David Nesselhauf und der reguläre Drummer Lucas Kochbeck nicht mitkommen konnten. Trotzdem merkt man dem Ensemble die Umbesetzungen kaum an – die Groove-Zentrale arbeitete tight, souverän und mit spürbarer Spielfreude. Anstelle von Unsicherheit gibt es „Deep Research“ im besten Sinne: Die vermeintlichen Ersatzleute haben sich hörbar tief in das Material eingearbeitet und tragen ihren Teil dazu bei, dass die Songs live sogar noch druckvoller wirken als auf Platte...
Gerade in den langen Instrumental-Passagen, in denen Bläser und Gitarre sich Solos zuspielen, zeigt sich, wie gut diese Besetzung inzwischen miteinander atmet. Die Band agiert wie eine eingespielte Soul-Maschine – mit genügend Reibung, um spannend zu bleiben. Besonders merkte man dies an der musikalisch hochwertigen Zugabe, die von erstklassigen Soloparts der beteiligten Musiker getragen wurden und besonders den Jazz-, Blues- und Deepsoul-Connaisseuren im Publikum gefallen haben dürfte...
Fazit & Ausblick
Tourabschluss im Club, der als Wiege des Punk gilt, eine Hamburger Soulband auf ihrem kreativen Höhepunkt, starke Vocals, starke Bläser, starkes Publikum – dieses Konzert im Ratinger Hof fühlte sich an wie ein kleiner Meilenstein, sowohl für Angels Of Libra als auch für die wiederbelebte Düsseldorfer Kultlocation...